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Abschnitt 7: nach Lettland

24.6.-5.7.2006


Heute ist Samstag der 24.06.2006. Ausschlafen tut not! Danach hole ich Daniel in der Stadt ab. Er hat eine fünf Stunden Busfahrt hinter sich und einen lausigen Freitagabend in Stockholm, denn selbst dort waren zum Mittsommerfest alle ausgeflogen. Wir laufen erstmal zum Boot und räumen Daniels Sachen ein. Dann machen wir uns schnell auf den Rückweg in die Stadt, um das fragwürdige Vergnügen zu haben, in einer schwedischen Kneipe, unter 200 blaugelb-gekleideten oder -angemalten Schweden das Achtelfinale zu erleben... Wir geben uns mal lieber als Schweizer aus und freuen uns ganz leise über zwei Toooore und einen verschossenen Elfer. Wir bleiben noch etwas im Zentrum und schauen auch noch das Spiel Argentinien : Mexiko, aber die Stimmung hier ist nicht so richtig gut - immerhin, man hat uns lebend gelassen :-)

Heute wird endlich wieder gesegelt! Vier Tage bin ich jetzt schon in Oskarshamn - zu lange. Der Wind weht perfekt in Stärke und Richtung und wir segeln schnell und sportlich als kleinen Startschlag rüber nach Byxelkrok auf Öland. (57°19.698'N 17°00.357'E) Die 17.5 Meilen schaffen wir in 3.5 Stunden, so dass wir noch viel Zeit haben den Ort zu erkunden. Viel gibt es hier aber auch nicht: Am Hafen sind diverse Holzbuden und man kann fast alles kaufen (Daniel ersteht drei Karabinerhaken in Herzform und ist glücklich), dazu zwei Restaurants und ein paar Kneipen. Es gibt Fahrräder zu leihen, einen Badestrand und eine Minigolfanlage - ein Touristenzentrum, so beschreibt es auch das Hafenhandbuch. Der Ort selber ist eigentlich gar nicht vorhanden...
Nach ein paar frischgeräucherten Makrelen machen wir uns auf in den Pub und gucken zusammen mit den Holländischen Nachbarn deren Achtelfinalniederlage. Tja, so hält sich das Heimweh ja eigentlich in Grenzen, ich seh ja jeden Tag 2 Stunden Bilder aus der Heimat ;-)




Wir wollen weiter nach Visby, aber die Windrichtung lässt es nicht zu. Also bleiben wir hier. Wir leben gemütlich in den Tag hinein. Daniel passt sich so langsam an das Leben an Bord an - nichts tun ohne Langeweile!
Unser Tageshighlight besteht aus einer Runde Minigolf mit Spezialregeln. Es ist nicht bei 7 Schlägen Schluss wie normalerweise, sondern es wird weiter gespielt. Schafft der Spieler die Bahn erst nach mehr als 12 Schlägen, werden trotzdem 12 aufgeschrieben. Bei Aufgabe gibt's 20, aber wer gibt schon auf! Zusätzlich gibt es ein Fläschchen Rum-Cola. Wir haben viel Spaß und sind mehrere Stunden beschäftigt.
Abends, schon traditionell, Kicken gucken im Pub.

Heute weht es aus der richtigen Richtung und zwar ganz ordentlich. Um halb acht machen wir uns auf den Weg, 48 Meilen liegen vor uns. Zunächst reicht die Baumfock bei achterlichen Winden für 5 Knoten. Aber dann ist es mal wieder so weit, der Wind schläft uns ein. Trotz Großsegel reduziert sich das ganze wieder auf Gedümpel und Hin- Hergerolle in der Dünung. Daniel reagiert gottseidank nicht mit Seekrankheit auf diesen unangenehmen Zustand, sondern er schläft ein. Besser so...
Heute ist der Wettergott allerdings gnädig, nach 30 Minuten geht's weiter, wir haben wieder Wind, werden immer schneller, es wird wieder sportlich! Am Ende klettern wir mit 6.5 Knoten die Wellenberge hinauf und rauschen sie mit vibirierendem Rumpf und 8 Knoten wieder herunter. Da kommt Laune auf! So erreichen wir nach Rekordverdächtigen 9 Stunden Visby und kommen im zentralen Yachthafen gut zu liegen. (57°38.300'N 18°17.219'E)
Wir machen einen ersten Rundgang durch die alte Hansestadt, landen schließlich und natürlich in einem Club zum Fussball schauen. Auch nach dem Spiel ist hier noch viel los und auch im Rest der Stadt klingt aus vielen Kneipen und Clubs Musik. Wir sind jedoch von unserer Tour zu erledigt und verschieben die Erkundung des Visbier Nachtlebens auf morgen, denn diese schöne Stadt wollen wir uns noch in Ruhe angucken!

Heute ist der Wind immer noch gut, aber wir wollen ja die Stadt sehen. Wir folgen der alten Stadtmauer und umrunden Visby. Die Stadt ist wirkich toll! Die Kopfsteinpflaster-Gassen sind eng und verwinkelt, zwischen den normal, bunten, schönen, alten Häusern stehen richtig alte Ruinen aus den Hansezeiten. Manche sind noch intakt, manche zumindest halb. In den Resten einer alten Kirche werden zum Beispiel Konzerte gegeben und Theaterstücke aufgeführt. Es gibt überall gemütliche Straßencafés und es herrscht ein buntes Touritreiben in den Gassen.
Wir kaufen uns zwei englische Bücher, denn die Lektüre ist alle. Daniel kauft sich eine Gitarre - jetzt ist die richtige Zeit das Spielen zu lernen, sagt er. Juhuu! Endlich eine Bordgitarre....
Am Abend erkunden wir das Nachtleben und landen gegen 12 vor einem Club mit Türstehern und langer Schlange. Da muss ja was los sein! Wir werden für Clubtauglich befunden, schlucken etwas, als wir 200 Kronen (=21.5 Euro) Eintritt zusammen zahlen. Aber - lohnt sich: Innen ist der Club viel größer als von draußen wir finden drei Bars, eine Terasse und dreieinhalb Tanzflächen. Wir probieren das alles aus und sind ziemlich enttäuscht, dass der Club um zwei geschlossen wird. Das ist hier Gesetz :-(
Wir fragen einen freundlichen Schwarzen nach der 'Afterparty', seine Auskunft: "Afterparty? That's serios buisines man - you go home with some nice girls, and YOU aint goin wiz me!" Thanx!

Nun ist der Wind weg, wir sind erstmal hier in Visby gestrandet. Aber es gibt definitiv schlechtere Orte um gestrandet zu sein! Daniel entdeckt den Strand direkt am Hafen und wir legen uns in die knallende Sonne, lesen und arbeiten an unserem Teint...
Nach einem weiteren Stadtrundgang und dem Besuch einer sehr chilligen Lounge, gehen wir nochmals in den Gitarrenladen und kaufen das Buch 'Rock und Balladen' mit Gitarrenarkorden, damit wir auch was spielen können. Wir üben fleißig.
Am Abend gehen wir wieder zum Club vom Vorabend, diesmal vor 22:30 Uhr, bis dahin gab's nämlich gestern freien Eintritt. Aber heute ist der Eintritt den ganzen Abend frei wie uns erklärt wird. Dafür ist aber auch nichts los, denn heute ist die Sommereröffnung eines anderen Clubs, erklärt uns der Türsteher. Wir gehen also zum Hamnplan 5, direkt am Hafen. Es kostet wieder ordentlich Eintritt und der Laden ist nicht ganz so gut wie der vorherige, aber es gibt einen Blackjack Tisch direkt an der Tanzfläche. Wir gewinnen natürlich erst ein paar mal, um dann wieder alles zu verlieren. So ist das eben...
Bemerkenswert ist noch dies Foto, das um 02:45 Uhr gemacht ist. Die Dämmerung dauert hier von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang:


Auch heute: Totalflaute. Wie furchtbar, noch ein Strand- und Partytag! Und das an einem Freitag...
Im Hafen ist aber erstmal Action: 'Komm raus, es wird gleich spannend' kündigt Daniel an. Mit 4 Knoten kommt ein Segler unter Motor an uns vorbei - viel zu schnell für den Hafen. Er hält schnurgerade auf eine freie Box zu. 'Der muss aber einen starken Motor haben, wenn er jetzt noch aufstoppen will', denke ich noch. Hat er aber nicht, er bekommt den Gang nicht raus, wie wir später erfahren. Hektisch wird noch ein Anker über Bord geworfen, aber es nützt alles nichts. Sie krachen volle Kanne in die Betonmauer und machen ihr Schiff 20cm kürzer! Die Verankerung von Vorstag und Rollfock sind rausgerissen, der Mast steht noch, aber der Urlaub ist erstmal vorbei...
Später am Strand laufen zwei Promoter herum und laden uns zur Sommereröffnung ihres Clubs ein: Wir werden auf die Gästeliste gesetzt. Dies ist die große Sommeranfangswoche und jeden Abend gibt es eine Cluberöffnung, wie uns gesagt wird. Wir machen uns also rechtzeitig wieder auf und sind um kurz vor fünf, und somit kurz vorm Anpfiff des Viertelfinales Deutschland : Argentinien im 'Burmeister'. Wir sind noch die ersten, aber kommen uns schon ganz schön wichtig vor, so auf der Gästeliste... Es gibt zwei Freigetränke und ab der Halbzeitpause ein schönes Buffet! Alles gratis - super!
Etwas später öffnen auch die Tore für die 'normalen' Gäste und es wird richtig voll. Aber wie immer werden um zwei, und somit viel zu früh, alle rausgeschmissen, aber es war ein schöner Abend.

Heute ist ein ganz schlechter Tag. Es gibt noch immer keinen Wind und wir sind jetzt so sehr im Verzug, dass ich einsehen muss, dass Flüthörn es nicht wie geplant nach Riga schaffen wird. Viel schlimmer allerdings: Ich vergesse Hannas Geburtstag! Verdammt! Wieso muss der Juli auch so plötzlich kommen. Jetzt sitze ich hier und kann nichts machen, ausser mich über meine eigene Vergesslichkeit zu ärgern und auf Wind zu warten...

Der fünfte Tag in Visby bringt uns zumindest ein klein wenig Wind. Wir nutzen ihn und segeln mit 2 bis 3 Knoten unter Einsatz maximaler Segelfläche weiter die Küste Gotlands hoch. Endlich wieder auf dem Wasser, auch wenn wir noch weit vom sportlichen Segeln entfernt sind. Aber der Wind wird stärker und dreht - wir erreichen 4 Knoten, müssen aber kreuzen. Nach 8 Stunden haben wir den nächsten Hafen erreicht, wir sind in Lickershamn (57°49.611'N 18°30.813'E). Ein kleiner Hafen in schöner Umgebung. Das Dorf ist winzig und bietet gar nichts, aber die Küste ist toll. Bewaldet, felsig und wert erkundet zu werden.
Die Beatzung der 'Mary Ann', mit der wir nun schon zum dritten mal im gleichen Hafen liegen, empfiehlt uns die 'Jungfrau' anzuschauen - ein Felsen auf dem nächsten Küstenvorsprung. Wir laufen nicht nur hin, wir besteigen ihn auch und haben eine schöne Aussicht über die ganze Bucht.






Daniel und ich machen uns pünktlich wieder auf den Weg, weiter um die Insel herum. Wir haben guten Wind und kommen schnell voran. Unser Ziel ist Farösund, ein kleiner Hafen im Sund zwischen Farö, einer vorgelagerten Insel, und Gotland. Lediglich die letze Stunde müssen wir motoren da der Wind eingeschlafen ist. Das ist das erste mal seit Kalmar, das wir motoren! (Ausser zum an- und ablegen)
Wir legen uns zunächst längsseits an den Steg, erfahren aber dann, dass es 80 Kronen günstiger ist, an einer Mooringleine zu liegen (click). Also verholen wir Flüthörn und liegen mit dem Heck zum Steg - eine neue Erfahrung... (57°51.817'N 19°03.650'E)
Wir gehen im großen Supermarkt einkaufen und setzen uns auf die Steine hinterm Boot und grillen ganz männlich 1kg Fleisch bei Sonnenuntergang.





Heute würden wie gerne den großen Sprung rüber nach Lettland angehen, aber abends ist das Halbfinale, da können wir doch nicht mitten auf der Ostsee schwabbeln! Also bleiben wir den Tag über hier. Leider ist die Minigolfanlage verfallen und auch sonst ist hier nicht viel zu machen. Bevor wir uns entscheiden können, ob wir eine Radtour machen oder mit dem Bus irgendwo hinfahren ist der Tag leider auch schon wieder rum - Urlaub...
Abends im TV-Raum(!) des Hafens müssen wir erleben, wie uns die Italiener rausschmeißen - da hätten wir auch ruhig segeln gehen können :-(


Heute wollen wir es wagen: 85 Seemeilen bis Ventspils in Lettland. Der Wind kommt mit 3 Windstärken aus Südost, soll aber noch auf Süd drehen. Wir müssen nach Osten, passt also.
Vorher wollen wir noch Frischwasser bunkern und legen dafür an einer anderen Stelle im Hafen an. Daniel gibt mir den Abstand zum Steg an: '2 Meter, 1 Meter, ein halber Meter', er springt und verfehlt den Steg leicht. 'Doch noch ein Meter...' Der Ellenbogen ist tief aufgeschürft und muss mit Rum desinfiziert werden. Aber das ist ja nun kein Grund, die große Überfahrt zu verschieben!
Wir setzen Genua und Großsegel und segeln natürlich bei strahlendem Sonnenschein, hart am Wind drauflos. Wir machen 3-4 Knoten und die Ostsee präsentiert sich von ihrer angenehmsten Seite: Das Wasser ist total ruhig, Wellen wie auf dem Maschsee, stellt Daniel fest. Nur der Kurs passt nicht ganz, wir fahren etwa 10 Grad am Ziel vorbei - der Wind soll aber ja noch drehen...
Nun segeln wir also. Und segeln. Und segeln und segeln und segeln. Das reicht als Beschäftigung auch völlig. Abends koche ich Spaghetti, so ruhig ist es. Dann geht die Sonne unter und es wird dunkler, nicht dunkel. Wir schalten die Lampen ein, teilen Schichten ein. Wir machen nur noch 2-3 Knoten, der Wind lässt etwas nach, weht aber immer noch aus gleicher Richtung. Ich sitze 2.5 Stunden alleine, mitten auf der Ostsee, also richtig alleine, in der Plicht und geniesse diese Einsamkeit!
Die Sonne geht wieder auf und es hat sich nichts verändert ausser der Distanzanzeige im GPS-Gerät.
Gegen neun Uhr erreichen wir die Küste, leider 10 Meilen zu weit nördlich. Wir sind nun schon so lange unterwegs, da kommt es nun auch nicht mehr drauf - wir fangen an zu kreuzen. Nach einer weiteren Stunde schläft der Wind dann aber doch ein und wir motoren die verbleibenden Meilen nach Ventspils. Im Hafen haben wir glatte 100 Seemeilen auf dem Tacho, gesegelt in 25 Stunden. Rekordstrecke! (57°23.613'N 21°32.028'E)
Der Hafen ist ein großer Industriehafen mit vielen verfallen Gebäuden und verrosteten Schiffsüberresten. Wir finden den Yachthafen, mitten zwischen alten Fabriken, die in regelmäßigen Abständen riesige schwarze Qualmwolken ausstoßen. Vor dem Hafen allerdings ist ein Gras-Streifen und ein Restaurant, es stehen Tische und Bänke unter einen Zelt. Guckt man in die richtige Richtung ist es also ganz nett ;-)
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