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Abschnitt 4: nach Bornholm

4.-10.6.2006


Bornholm ist zwar das Ziel dieser Woche, aber zunächst möchte ich mit der neuen Crew einen Probeschlag machen. Zurück nach Lohme wollen wir. Da war es ja so schön und es ist sogar 2 Meilen dichter an Bornholm als Sassnitz. Leider haben wir heute viel Wind und auch noch so, dass wir ihn in Lohme ungünstig von der Seite haben würden. Ich beschließe also das Anlegen auf die Abendstunden zu verschieben. So haben wir hier in Sassnitz noch massig Zeit und können, nachdem wir Nata und Marten zum Zug gebracht haben (*schnüff*), noch die Strandpromenade und die Altstadt erkunden.
Der erste Eindruck, den wir von Sassnitz hatten, verbessert sich drastisch. Die Alstadt ist wirklich nett, die Strandpromenade ziemlich neu vor die alten Uferbauten gesetzt. Das passt.
Als wir endlich ablegen, müssen wir bald wieder gegenan. Wir sind ehrgeizig und kreuzen, diesmal bei Sonne, direkt vor den berühmten Kreidefelsen Rügens entlang - Björn souverän an der Pinne. Als wir um 20:00 Uhr Lohme erreichen ist der Wind zwar erwartungsgemäß nicht mehr ganz so stark wie am Nachmittag, trotzdem misslingt das Anlegen. Ich verwechsele - und dass ist mir doch noch nie passiert - Vorwärts- und Rückwärtsgang! Glück im Unglück, wir rammen nur den Poller und nicht den Nachbarn der cool daneben sitzt und Tips gibt... Also nichts passiert, ausser eines Schrecks.
Wir geben dem Nachbarn ein Bier als Entschädigung / Dankeschön. Wir kommen ins Gespräch und erfahren, dass er mit seiner Frau jeden Sommer 4 Monate segelt, Überwintert wird dann auf Cran Canaria... Auch nicht schlecht :-)
Wir gehen früh ins Bett, für morgen ist die große Überfahrt geplant und die letze Nacht war ja auch nicht die längste.

Um sechs Uhr früh gehen wir die 48 Meilen an. Wir segeln am Wind mit 5 bis 6 Knoten auf Bornholm zu - super. Nach zwei Stunden wird es immer weniger mit Wind und Fahrt bis es schließlich so wenig ist, dass wir in der großen Dünnung hin und her rollen und die Segel jedesmal einfallen und sich mit einem Ruck wieder spannen. So geht's nicht - Segel runter, Motor an. Aber... wohin nun? Nach Rönne auf Bornholm sind noch knapp 40 Meilen und 10 Stunden dahin motoren, dass will ich dem armen alten Motor und uns auch nicht antun. Also Aufgabe - wir tuckern mit kleiner Fahrt zurück Richtung Lohme. Was für ein Frust, extra früh aufgestanden und jetzt geben wir uns geschlagen! Ich kann der Situation nur ein klein wenig Gutes abgwinnen: Ich kann mich in Lohme beim Hafenmeister beschweren, denn die Dusche hat am Vorabend meine Marke geschluckt und mich im trockenen stehen lassen...
Nach einer halben Stunde Fahrt höre ich über Funk den Seewetterbericht von unserem Delta Papa. Er behauptet steif und fest wir hätten Nordwest 5-6, also optimal. Für die nächsten Tage nur noch schwachwindig, maximal 3. Mensch, der Wind muss doch hier irgendwo sein! Da es die nächsten Tage also kaum Wind geben soll, kehren wir wieder um und machen uns auf die Suche nach dem Wind. Kurs wieder Richtung Bornholm.
Wir motoren 2 Stunden, drei Stunden... Bei jedem kleinsten Lüftchen ziehe ich die Fock hoch, um sie nach 10 Minuten wieder fallen zu lassen... Vier Stunden... So langsam werden wir blöd im Kopf von dem Krach... fünf Stunden... Fock mal wieder hoch - diesmal steht sie besser. Ich will dem Motor eine Pause gönnen und drossele ihn, bis er steht. Das Großsegel dazu gesetzt bringt uns auf knapp 3 Knoten. Na immerhin. Nun scheint endlich der gemeldete Wind zu wehen. Eine halbe Stunde später machen wir konstante 4.5 Knoten Fahrt. Die Stimmung hebt sich erstaunlich schnell. Endlich segeln. Flüthörn nimmt nun die Wellen viel besser und die Ruhe ist eine wohltat.
Es ist zwar immer noch ein weiter Weg vor uns, aber nach 7 Stunden Segeln haben wir unser Ziel erreicht. (55°06.307'N, 14°41.654'E) Vierzehn Stunden insgesamt, mein zeitlich bisher längster Schlag!
Sonja kocht für uns Spaghetti Carbonara, bevor wir totmüde in die Kojen kriechen.





Nachdem das Abschnittsziel ja eigentlich schon erreicht ist und gestern wirklich ein anstrengender Tag war, machen wir einen Hafentag und gucken uns Rönne, die Hauptstadt der Insel, ein wenig genauer an. Wir schlendern durch verwinkelte Gassen mit kleinen bunten Häusern, sitzen lange auf dem Marktplatz oder im Hafen in der Sonne und gucken uns die Kirche an. Unter der Kirchendecke hängt das Modell eines alten Segelschiffes, der Bezug zur Seefahrt wird selbst in der Kirche deutlich. Wir kaufen frischen Fisch am Hafen und braten ihn an Bord. Urlaub...
Abends gibt es noch einen schönen Sonnenuntgergang und eine farbenprächtige Dämmerung. Bemerkenswert, dass es selbst um Mitternacht nicht ganz dunkel wird!

Heute soll es weitergehen, auch wenn der Wind kaum weht. Wir verlassen den Hafen, setzen die Genua und plätschern mit 2 Knoten die Küste hinauf. Wenn's so bleibt fahren wir eben nur die 5 Meilen bis Hasle. Das ist richtiges Schönwettersegeln! Als Sonja es sich gerade im Bikini auf dem Sonnendeck gemütlich gemacht hat, frischt es doch noch etwas auf. Wir beschleunigen auf 5 Knoten, fahren weiter nach Hammerhaven nahe der Nordspitze. (55°16.683'N 14°45.304'E) Der Hafen gehörte früher zu einem Steinbruch und liegt zu Füssen einer Burgruine. Neben ein paar Fischernussschalen sind wir das zweite Boot im Hafen, ein einsames Plätzchen. Wir wandern los in Richtung Ruine. Ein kleiner verschlungener Trampelpfad windet sich an der Küste entlang, Schafe grasen überall, sogar an den steilsten Stellen. Die Vegetation ist vom Wind schiefgepustet, man läuft an manchen Stellen fast wie durch einen Tunnel. Oben angekommen geniessen wir die Aussicht und machen ein kleines Picknick.
Der Weg zurück, der gleiche, dauert nur einen Bruchteil der Zeit, den wir für den Weg zur Ruine hin gebraucht haben. Es gab einfach so viel zu gucken und zu entdecken...
Kaum wieder an Bord entdeckt Sonja Schafschiete auf der Treppe runter ins Schiff. "Oh je, einer von uns ist wo reingetreten - - - und das war ich." "Ich auch." entdeckt Björn und natürlich sieht es auch bei mir nicht anders aus. Schnell die Schuhe raus und dann DIE Gelegenheit nutzen den Staubsauger zu testen.


Die Sehenswürdigkeiten der Nordspitze sind mit der Burg noch lange nicht ausgereizt, wir machen also am nächsten Tag eine Wanderung in entgegengesetze Richtung, zur Spitze hin. Wieder schlängelt sich der Weg an den Klippen entlang, an Schluchten vorbei und unter bizarr verformten Eichen hindurch. Nicht umsonst wird dieser Wanderweg als der schönste Dänemarks angepriesen. Wir verlassen die Küste und biegen ab in Richtung Leuchtturm und von da zu den Steinbrüchen. Hier fällt der Felsen etwa 60 Meter senkrecht nach unten, wo sich Borholms einziger Bergsee findet. Traumpanorama: Wir sitzen an der Kante der Felsen, hinter uns der Leuchtturm, unter uns fliegen die Möven, weit unter uns der See, rechts ist der Hafen zu sehen, Flüthörns Mast gut zu erkennen und gegenüber tront die alte Burg...
Wieder zurück am Hafen setzen wir die Segel und bei angenehmen 4 Windstärken umrunden wir die Nordspitze nun von der Seeseite. Wir können quasi beliebig dicht an der Küste entlang fahren, denn die Wassertiefe geht überall schnell auf über 20 Meter. So lernen wir also Bornholm vom Meer her kennen. Wir kommen bis Gudhjem (55°16.683'N 14°58.340'E) und finden in dem kleinen Fischerhafen, der das Zentrum des urigen Dorfes bildet, auch noch leicht einen Liegeplatz. Die Häfen an der Ostküste sind alle mit Toren ausgestattet, mit ihnen kann der Hafen bei starkem Ostwind vor den Wellen geschützt werden. Diese haben dann nämlich 1000km Platz um Schwung zu holen - auf Fotos die wir sehen, steht das einer ordentlichen Atlantikdünung um nichts nach!
Heute ist aber alles ruhig. Hier können wir auch wieder einkaufen und bereiten zum Abendessen Chilli. Es ist unsere erste Malzeit draussen, in Abendlicht und dänischer Kleinstadthafenatmospäre...



Heute ist ein besonderer Tag: die Weltmeisterschaft geht los. Unser heutiges Tagesziel ist demnach ein Fernseher!
Vorher frühstücken wir, auch erstmals, draussen und machen noch einen Gang durch Gudhjem. Björn kann dem Angebot 'The biggest Ice cream in the world' nicht wiederstehen und so kommen wir erst mit etwas Verzögerung los.
Wir gehen die 14 Seemeilen nach Nexö (der zweitgrößten Stadt mit guten 'kicken gucken'- Chancen) gemütlch an, noch ist ja Zeit...
Aber die Geschwindigkeit nimmt immer mehr ab. Irgendwann wird es kritisch - Segel runter, Motor an. Das hätten wir früher machen müssen, es wird eng. 18 Uhr ist Anpfiff. Um 5 vor 6 rauschen wir in den Hafen, Liegeplätze nur mit Heckboje (55°03.793'N 15°08.103'E). Das mache ich zwar zum ersten mal, doch es klappt tadellos. Wir haben uns schon soweit vorbereitet, dass wir, sobald die Leinen einigermaßen sitzen, von Bord springen und Richtung Innenstadt spurten. Um fünf nach beweist Sonja tadellose Ausguckqualitäten und entdeckt in einer Pizzeria eine riesige Flachflimmerkiste. Perfektes timing, kaum sitzen wir können wir für das erste Tor der WM wieder jubelnd aufspringen...
Nach gewonnenem Spiel machen wir erstmal klar Schiff und ziehen dann nochmal los, aber um 22 Uhr werden hier, obwohl es Freitag ist, wohl schon die Bürgersteige hoch geklappt. In der Hafenspelunke gibt's noch ein Bier, dann ist auch gut.








Am nächsten morgen geht's noch mal in die Stadt, Ziel einkaufen, internetcafé und noch etwas gucken. Den im Touri-Guide beschriebenen Internetzugang gibt es leider nicht mehr, dafür stehen wir auf einmal mitten in einem Zentrum für Kleinselbstständige oder so. Die feiern bei unserem vetrauten Bornholmer Sonnenschein ihr 4-jähriges Jubiläum mit Band und Grill und Aktionen. Wir werden sofort eingeladen uns dazu zu gesellen. Das machen wir natürlich auch und bestaunen das dänische Treiben. Am meisten fällt auf, dass hier unglaublich viele junge Leute schon einen Haufen Kinder haben, die übers ganze Gelände toben, aber absolut chillig und ohne Geschrei (nicht so wie in Braunschweig - mein Nachbarsblag dort hat nämlich als Hauptbeschäftigung sinnloses rumgestresse!)
Zurück im Hafen erkennen wir wieder die Kehrseite des guten Wetters - kaum Wind. Wir segeln dennoch los, denn der Hafen von Nexö ist nicht so schön, der Hafen ist grundlos voller Touris und zwei besoffene Polen hängen auch hier herum, schimpfen, lallen, grölen abwechselnd - Polen verlor gegen Equador wie sich später herausstellte...
Nach 5 Meilen und 3 Stunden erreichen wir Svaneke und erwischen eine freie Box zwischen den Seglern der Einheimischen. Wir sind zwar drei Meter länger als die anderen Boote hier, aber von der Breite her passt es genau. Während ich mit dem Pinsel in der Hand das Anlegemanöver nachbearbeite bauen die Dänen vom Nachbarschiff hinter mir ihre Grills auf und immer mehr Leute kommen hinzu. Später am Abend werden wir von ihnen eingeladen uns zu ihnen zu setzen und wir erfahren bei Whiskey aus dem 2 Liter Karton die eine oder andere spannende Geschichte, das gerade eine Regatta rund Bornholm ( kein Wind! ) läuft, Wetterinfos, was wir noch anlaufen sollen und wie oft der Fischer sein Auto im Hafen versenkt hat.
Ich lobe die dänische Familienzugehörigkeit, denn die 13-14-jährigen Kinder sitzen alle dabei und spielen Trivial-Pursuit, und das an einem Samstag, aber der Nachbar winkt ab, das sei eher nicht normal...
Wir erfahren auch warum er vorhin beim Wassertanken großes Gelächter geerntet hat: Er ist immer neidisch wenn neben ihm größere Gastboote liegen und es kam der Spruch "Giessen hilft auch nichts, dein Boot wächst nicht mehr!".
Wir steuern noch unsere Jägermeister-Reste zu den Getränken hinzu und so haben Sonja und Björn einen sehr schönen Abschiedsabend und wir kommen erst spät in die Kojen.

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